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Anrede, das Thema hat uns hier mehrfach beschäftigt und es ist in der Tat sehr ernst. Es geht um schwerkranke Menschen und deren Angehörigen, die in einem Land leben, dass zwar das drittteuerste Gesundheitswesen der Welt hat, aber in der Ausgestaltung der Palliativversorgung extrem rückständig ist.. Ernst, um nicht zu sagen befremdlich, ist allerdings auch der Umgang der Landesregierung mit diesem Thema. Außer der Fachtagung am 6.7.2005 und sich ständig wiederholender Ankündigungen hat die Sozialministerin nämlich bis heute nichts getan, obwohl sie klare Arbeitsaufträge durch Landtagsbeschlüsse bekommen hatte. Zur Chronologie:
  • 2002 hatte die alte Landesregierung entschieden, in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und Kassenärztlichen ein Konzept zur palliativmedizinischen Versorgung in Niedersachsen zu erarbeiten.
  • Im Juli 2003 wurde die MHH mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt und am 13.10.2004 wurde das Gutachten bereits vorgelegt.
  • Am 28.10.2004, also vor über einem Jahr hat der Landtag u.a. einstimmig beschlossen: Auf der Grundlage der jetzt vorliegenden Daten ist ein Konzept in Abstimmung mit der Krankenversicherung, dem Landespflegeausschuss und dem Krankenhausplanungsausschuss vorzulegen. Die Möglichkeiten einer integrativen Versorgung sind zu prüfen.
  • 6 Monate später, am 14.4.05 (Drs. 15/1845 teilt die Landesregierung in ihrer Unterrichtung nicht etwa den Vollzug mit, sondern: Die Landesregierung wird ein Konzept zur Weiterentwicklung der Palliativversorgung in Niedersachsen erstellen.
  • Am 24.6. hat die SPD-Fraktion daraufhin im Landtag erneut einen Antrag eingebracht, und die Landesregierung wiederum aufgefordert, nun endlich den einstimmigen Parlamentsbeschluss zur Palliativversorgung umzusetzen. Bis heute haben CDU/FDP diesen Antrag nicht abschließend behandelt.
  • In der Fachtagung am 6.7. hat die Sozialministerin erneut ein abgestuftes Handlungskonzept des Landes angekündigt. Darin sollten, wie vom Parlament beschlossen, alle Akteure einbezogen und eine Arbeitskommission gegründet werden.
  • Ganze 4 Monate hat Frau von der Leyen dann verstreichen lassen, um die Akteure endlich Freitag letzter Woche (4.11.2005) zur ersten Zusammenkunft einzuladen. Zu einer Sitzung ohne Beteiligung der Ministerin, ohne Staatssekretär, ohne Tagesordnung und ohne Vereinbarung eines neuen Termins.
Statt Erarbeitung des zugesagten Konzeptes wurde vom Ministerium in der Runde der Fachleute dann der heute hier vorliegende Entschließungsantrag von CDU/FDP verteilt. Ein ebenso fragwürdiger, wie peinlich Vorgang. Anrede, die betroffenen Menschen und die Fachszene sind zwischenzeitlich empört über die Hinhaltetaktik und den Umgang der Sozialministerin mit diesem Thema und sie haben Recht. Anstatt nun endlich intern durch die Koalitionsfraktionen Druck zu machen, damit das Fachministerium seine Bringschuld gegenüber Parlament und Öffentlichkeit erfüllt, fällt CDU/FDP nichts weiter ein, als die Rede von Frau von der Leyen zur Dignitasdebatte vom 5.10.05 wörtlich abzuschreiben und als neuen Antrag hier einzubringen. Auch das ist nicht nur weiter zeitverzögernd, sondern schlicht peinlich. Die Ministerin hat selber darauf hingewiesen, dass Niedersachsen - gemessen an der Einwohnerzahl - bei der Versorgung mit Palliativbetten und Hospizen ganz weit hinten steht. Sie hat ferner auf die Arbeit des ambulanten Modellprojektes SUPPORT und den parteiübergreifenden Konsens hingewiesen. Der Pflegedienst versorgt ständig ca. 90 Schwerkranke in den Landkreisen Osterode-Harz, Holzminden, Northeim und Göttingen. Nur, meine Damen und Herren, Support wird von den Krankenkassen nicht finanziert es ist auf Spenden und auf Landesunterstützung angewiesen. Seit 2002 hat SUPPORT deshalb ca.250.000 Euro vom Land erhalten. 200.000 Euro von der alten Landesregierung, 50.000 Euro im vergangenen Jahr von dieser Regierung und für 2005 bis heute keinen Cent. SUPPORT steht zum Jahresende vor dem AUS. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben sich schon alle vorsorglich arbeitslos gemeldet. Auch hier ist es höchste Zeit, dass die Landesregierung Reden und Handeln in Einklang bringt. Nach Aussagen der deutschen PalliativAG gibt es in Deutschland jährlich ca. 350.000 onkologische Neuerkrankungen. Davon sind 200.000 Krebsneuerkrankungen nicht heilbar und benötigen absehbar schmerztherapeutische Behandlung. Solange die Palliativversorgung nicht als 4. Säule der Gesundheitsversorgung (neben Prävention, Kuration und Rehabilitation) gesetzlich geregelt ist, können, ja dürfen die Krankenkassen unter dem Gebot der Beitragsstabilität diese Leistungen nicht übernehmen. Wenn diesen Menschen wirkungsvoller geholfen werden soll, dann helfen auf Dauer keine sich ständig wiederholende Betroffenheitsbekundungen. Wir brauchen keine neuen Entschließungsanträge und auch keine neuen Konzepte, die liegen alle vor. Wir müssen endlich Ernst machen mit der Umsetzung. Die SPD schlägt daher vor, im nächsten Jahr 8-10 regionale Care-Teams, einschließlich SUPPORT in Niedersachsen zu bilden und diese an entsprechende Krankenhäuser anzubinden. Ein Team kostet ca. 200.000 Euro. Ehrenamtliche Arbeit ist zwar wichtig und hilfreich, aber ehrenamtliche Stützpunkte, wie in ihrem Antrag gefordert, reichen jedenfalls nicht aus. Was wir nach Auffassung des Gutachtens brauchen, sind verlässliche Strukturen und medizinische, pflegerische Professionalität. Den Vorschlag eines Modellstudienganges im Entschließungsantrag von CDU/FDP finde ich gut, allerdings nicht nur an der MHH. Es macht doch keinen Sinn, wenn jetzt an der Uni in Göttingen ein Palliativzentrum mit Mitteln des Bundes und der deutschen Krebshilfe geschaffen und der Studiengang dann ausschließlich in Hannover angesiedelt wird. Ich gehe übrigens davon aus, dass wenigstens die hier von der Ministerin vor einem Monat angekündigte Bundesratsinitiative zur Verankerung der Palliativversorgung in der Medizinausbildung und die von Staatssekretär Hoofe auf dem Palliativtag am 23.9.05 in Osnabrück angekündigte Bundesratsinitiative zur Durchsetzung gesetzlicher Ansprüche auf den Weg gebracht worden sind. Die SPD-Fraktion erwartet, dass die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Frau von der Leyen es nicht länger bei Ankündigungen bewenden lässt, sondern unseren gemeinsamen Parlamentsbeschluss nach über einem Jahr nunmehr zügig umsetzt. Darauf hat nicht nur das Parlament einen Anspruch, sondern vor allem haben die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen.