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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausgabenentwicklung in der Beihilfe hat sich in den letzten Jahren rasant beschleunigt und ist wesentlich schneller als beispielsweise die Entwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung verlaufen. In Niedersachsen sind die Ausgaben von 1985 mit 173 Millionen Euro auf in diesem Jahr knapp 500 Millionen Euro gestiegen. Das bedeutet, in den 18 Jahren haben wir bei der Beihilfe in Niedersachsen eine Steigerung von 280 % zu verzeichnen, während im gleichen Zeitraum in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Steigerung von 187 % eingetreten ist. Wir diskutieren zurzeit landauf, landab über soziale Sicherungssysteme, über Gesundheitsreform. Dann kommen wir wohl nicht umhin, Sondersysteme in die Diskussion einzubeziehen und sie sehr, sehr kritisch unter die Lupe zu nehmen. Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haushaltsplans 2002/2003 hatten wir seinerzeit vorgeschlagen und dann auch beschlossen, dass das Privileg der Chefarztbehandlung und des Zweibettzimmers nicht mehr als besondere Leistung und damit Besserstellung durch die Beihilfe finanziert werden soll. Das war übrigens auch eine alte Forderung der CDU. Sie hat das dann im Rahmen des Wahlkampfes immer vergessen. Aber das ist seinerzeit hier auch umgesetzt worden. Das ergab für den Landeshaushalt eine Ersparnis von 20 Millionen Euro pro anno. Im Rahmen der Anhörung zu dem Haushaltsbegleitgesetz hat der Deutsche Beamtenbund am 10. Oktober 2001 Folgendes vorgeschlagen: "Wir fordern eine Initiative des Landes, die für die Beamtinnen und Beamten auf Antrag den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung über eine Änderung der entsprechenden Vorschriften im Sozialgesetzbuch ermöglicht." Genau diesen Vorschlag des Beamtenbundes nehmen wir mit unserem Entschließungsantrag auf. Wir müssen zur Kenntnis nehmen und nehmen zur Kenntnis, dass viele Leute - mehr als 90 % - in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, teilweise über die Familienversicherung, dass sie aber dann, wenn sie verbeamtet werden, nicht in der Versicherung bleiben wollen, in der sie bisher gewesen sind und mit der sie gegebenenfalls auch zufrieden gewesen sind. Deshalb schlagen wir vor, den Beamtinnen und Beamten bzw. Anwärterinnen und Anwärtern auf freiwilliger Basis die Wahlmöglichkeit einzuräumen, ob sie denn in die Beihilfe wollen oder ob sie in der GKV bleiben wollen oder in die GKV hinein wollen. Wenn sie Letzteres wollen, müssen sie vom Arbeitgeber den hälftigen Beitragssatz erstattet bekommen. Meine Damen und Herren, das ist übrigens exakt die gleiche Regelung, die wir für uns als Abgeordnete zu Beginn einer Legislaturperiode in Anspruch nehmen. Auch da stehen wir vor der Entscheidung, ob wir eine Beihilfe oder einen hälftigen Beitragssatz wollen. Insofern ist dieser Vorschlag keinem von uns wesensfremd, weil wir selber immer vor dieser Fragestellung stehen. Mit Nr. 2 unseres Entschließungsantrages sind wir dafür, den Schwellenwert abzusenken, der über die Beihilfe erstattet werden muss. Bei Privatpatienten - das sind Beamte - können die Ärzte und Zahnärzte bis zum 2,3-Fachen der Vergütungssätze berechnen, die sie für Kassenpatienten bekommen. Ich nenne Ihnen einmal exemplarisch zwei Beispiele. Wenn jemand beim Arzt Blut abgenommen bekommt, dann bekommt der Arzt für den Kassenpatienten rund 4 Euro. Für den Beamten bekommt er 10,26 Euro. Ich bezweifle im Übrigen, Herr Kollege, dass sich ein Arzt so verhält und den Patienten Beamten um das 2,3-Fache besser behandelt als den Kassenpatienten. Bei der Beratung wird das Missverhältnis noch deutlicher. Für einen Kassenpatienten erhält der Arzt für eine Beratung in etwa 9 Euro pauschal. Das hat etwas mit Punktwerten zu tun. Das will ich gar nicht verkomplizieren. Das kann der Arzt aber nur einmal abrechnen, egal wie oft der Patient im Laufe des Quartals kommt. Es bleibt immer bei diesem Festbetrag von 9 Euro. Beim Beamten hingegen erhält der Arzt 10,25 Euro, und das für jeden Besuch. Das heißt, wenn der nur fünfmal kommt, ist das Verhältnis schon 9 Euro zu 50 Euro. Das könnte man relativ konstant fortführen. Ich meine, dass zwischenzeitlich 90 % aller Beihilferechnungen diesen Höchstsatz des 2,3-Fachen ausweisen, kann niemand den Ärzten verdenken. Warum sollen die Ärzte weniger nehmen, wenn ihnen dieser mögliche Rahmen eingeräumt wird und sie dann die Obergrenze ausschöpfen? Nach Schätzungen des Niedersächsischen Finanzministeriums - im Rahmen der damaligen Haushaltsberatungen ist das im Haushaltsausschuss intensiv diskutiert worden - würde allein die Absenkung des Schwellenwertes vom 2,3-Fachen auf das 1,7-Fache für die Landeskasse eine Ersparnis zwischen 30 Millionen und 50 Millionen Euro einbringen. Genau eine solche Bundesratsinitiative fordert unser Antrag. Vom Grundsatz her gibt es überhaupt keine Begründung dafür, dass auf der einen Seite für die Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung ein anderer Vergütungssatz bezahlt wird als aus Sondersystemen. Ich finde, hier ist eine Angleichung zwingend erforderlich. Wir fordern aber im ersten Schritt die Absenkung des Schwellensatzes. Mit den Nrn. 3 und 4 unseres Antrages halten wir ein besseres Controlling für Beihilfeleistungen für dringend erforderlich. Die Ausschussberatung am 31. Oktober, in der wir uns sehr intensiv im Sozialausschuss mit dem Problem beschäftigt haben, hat deutlich gemacht, dass es im Beihilferecht kein der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbares Controlling gibt und dass die Notwendigkeit von Leistungen und die Höhe der Leistungen im Prinzip nicht überprüfbar sind. Sie können das im Protokoll des Ausschusses nachlesen. Es ist deutlich gemacht worden, dass im Beihilferecht nicht die Möglichkeit der Prüfung besteht, weil die einzelnen Zahlen, die sich aus der Rechnung ergeben, zwar festgehalten, aber nicht dokumentiert und somit praktisch auch nicht von Fall zu Fall ausgewertet werden können. Das Innenministerium hat im Fachausschuss ferner festgestellt, dass bei den der Beihilfe vorgelegten Rechnungen zusehends erkennbar wird, dass medizinisch nicht notwendige Leistungen unter dem Vorbehalt, es handele sich um eine neue Leistung, die sich nicht in der Gebührenordnung wiederfindet, abgerechnet werden, und zwar mit dem Hinweis, dann auch noch mehr als das 2,3-Fache erstattet zu bekommen. Das heißt, es muss meines Erachtens auch aus Haushaltsgründen alles daran gesetzt werden, dass auch hier eine Controllingmöglichkeit eingeführt wird und dass im Übrigen auch Beratungsfachärzte, wie wir das aus anderen Sozialversicherungszweigen kennen, durch die Beihilfestelle hinzugezogen werden. Die Begründung im Ausschuss durch das Ministerium, warum das bisher nicht gemacht wurde, war hoch interessant. Sie lautete nämlich, die private Versicherungswirtschaft stehe dem mit Ablehnung gegenüber, weil es Kunden verprellen könnte. Deshalb würde sie lieber nicht prüfen und würde anstatt der Verluste lieber Beitragserhöhungen in Kauf nehmen. Ich finde, das ist eine irre Logik. Wenn wir das in die aktuelle Debatte über das Gesundheitsreformgesetz einbringen, dann wäre wohl in diesem Land, und zwar parteiübergreifend, richtig was los. Es geht hier um Landesknete in einer Größenordnung von 500 Millionen Euro. Da sage ich Ihnen: Der Glaube ist gut, die Kontrolle ist an dieser Stelle besser. Der Vorschlag der SPD-Fraktion wird übrigens ebenfalls durch den Deutschen Beamtenbund getragen. Ich zitiere erneut aus dem Ergebnis der Anhörung: "Deshalb unterstützt der Deutsche Beamtenbund den Vorschlag, die Abrechnungspraxis der Ärzteschaft im Beihilferecht verwaltungsseitig zu prüfen und ggf. zu beanstanden. Die präventive Wirkung einer solchen Maßnahme dürfte erhebliche Ausgabeminderungen zur Folge haben." Letzte Anmerkung, und zwar zum Thema Harmonisierung. Meine Damen und Herren, es wird zurzeit viel über die Harmonisierung der sozialen Sicherungssysteme geredet. Ich halte das auch für korrekt und absolut notwendig. Es geht nicht in erster Linie um eine Zusammenführung. Aber es geht sehr wohl um eine Angleichung der Leistungen. Wir können nämlich gemeinsam keinem Bürger und keiner Bürgerin erklären, warum Beschäftigte für ihre Krankenversicherungsbeiträge in der Regel deutlich geringere Leistungen erhalten als Beamte für unsere Steuern, die wir gemeinsam zahlen. Ich will Ihnen an einigen wenigen Beispielen deutlich machen, wo es erhebliche Unterschiede gibt. Erstens Höhe des Sterbegeldes. Zweitens Unterbringung in stationären Pflegeeinrichtungen, deutliche Besserstellung über das Beihilferecht. Drittens Leistungen zur ambulanten Pflege, wiederum deutliche Besserstellung. Viertens keine Selbstbeteiligung bei Rehabilitationsmaßnahmen, wie wir das aus der Krankenversicherung kennen. Fünftens deutlich andere Höchstsätze bei der Gewährung von Sehhilfen, also Brillen und Kontaktlinsen. Sechstens Erstattung von Heilpraktikerleistungen. Diese Reihe könnte man noch endlos fortsetzen. Für alle diese Leistungen geben wir mit unseren Steuermitteln überdeutlich mehr Geld aus, als wir als Gesetzgeber gleichzeitig den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherungen zubilligen. Ich meine, hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Diskussion über die geplante Gesundheitsreform Anlass genug sein sollte, eine überfällige Harmonisierung vorzunehmen. Meine Damen und Herren, wir sind uns sicherlich darüber einig, dass wir hier eine unpopuläre Debatte beginnen. Wir müssten das vielleicht aus der Opposition heraus nicht tun. Trotzdem sind wir der Auffassung, dass wir diese Debatte führen müssen - auch analog zu der Diskussion, die wir gerade zu den gesetzlichen Krankenversicherungen führen. Wenn dann ganz nebenbei 50 Millionen Euro für die CDU-Landesregierung dabei herauskommen, sind wir darüber nicht böse, weil wir dafür entsprechende Deckungsvorschläge haben. Vielleicht können wir uns darüber auch verständigen. Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend für die SPD-Fraktion beantragen, dass die Federführung dem Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit übertragen wird. Ich meine, dem können Sie folgen, da es sich im Wesentlichen um gesundheitspolitische Themen handelt. Vielen Dank.