Behindertengleichstellungsgesetz jetzt
Anrede,
Sie haben es geschafft - Ihrer bundesweit beachteten Politik gegen Behinderte haben Sie ein neues Superlativ hinzufügt:
Niedersachsen ist nun das einzige Bundesland, in dem behinderten Menschen nach wie vor ein Gleichstellungsgesetz beharrlich verweigert wird.
Noch in der alten Legislaturperiode am 03.12.2002 hatte die damalige SPD-Landesregierung dem Landtag den Entwurf eines Behindertengleichstellungsgesetzes vorgelegt. Angebote, das Gesetz noch in der Legislaturperiode zu verabschieden, wurden von der damaligen CDU-Fraktion abgelehnt. Begründung: Der Gesetzentwurf sei nicht der große Wurf und bleibe nach einhelliger Auffassung der Verbände weit hinter den Regelungen des Bundesgesetzes zurück. (Jahns, CDU)
Die CDU wolle nach der gewonnenen Landtagswahl unverzüglich einen weiter gehenden Gesetzentwurf vorlegen. Wenn ich mich recht erinnere, wurden diese Versprechungen sogar im 100-Tage-Programm der Regierungskoalitionen wiederholt.
Aus diesen 100 Tagen sind zwischenzeitlich 1 200 Tage geworden, und die Legislaturperiode neigt sich bereits dem Ende entgegen. Ein Gesetzentwurf ist nach wie vor nicht in Sicht.
Der Sozialverband VdK stellte dazu in einem Brief vom 06. Juni 2005 an die damalige Ministerin Frau von der Leyen fest:
Ihre Regierung und das Parlament haben in den vergangenen zwei Jahren zur Genüge bewiesen, dass sie zügig und entschlossen zu handeln bereit und in der Lage sind. Ausgerechnet bei dem Anliegen der Menschen mit Behinderungen versagt offensichtlich diese Entschlossenheit. Ich halte diese Verzögerung für eine schlimme Missachtung der betroffenen Personen und Verbände,
schrieb Vors. Hüniken an Sozialministerin von der Leyen. Dieser Aussage ist uneingeschränkt zuzustimmen.
Am 15.05.2003 (Drs. 15/141) hat die SPD-Fraktion Sie zur zügigen Umsetzung Ihres Wahlversprechens und zur Vorlage eines Gesetzentwurfes aufgefordert. Eigentlich kein Problem. Die ganzen Vorarbeiten waren ja bereits von der Vorgängerregierung erledigt worden.
Frau Jahns erklärte für die CDU in der Debatte (2003),
...............dass der SPD- Antrag überflüssig sei, da die Ministerin ein solches Gesetz einbringen wird.
Und Frau Meißner fügte für die FDP hinzu:
..............Die Ministerin hat schon gesagt, sie will dafür sorgen, dass es ein solches Gesetz gibt. Das stand auch in unserem Wahlprogramm. Wir wollen das halten, was wir versprechen und dem Gesetzentwurf liberale Akzente hinzufügen.
Dreieinhalb Jahre später ist die damalige Ministerin aus Niedersachsen verschwunden. Einen Gesetzentwurf hat sie nie vorgelegt. Auch Frau Ross-Lottmann ist bisher über unverbindliche Erklärungen nicht hinausgekommen.
Dieser sich wiederholende Umgang mit behinderten Menschen ist nicht mehr hinnehmbar! Ich hoffe, dass die Ministerin heute ihren Zeitplan gleich vorstellen wird. Auf die Regierungsfraktionen brauchen die Behinderten ja nicht zu rechnen.
Ihr Gestaltungsspielraum in der Sozialpolitik ist gleich null. Das haben wir gestern beim Thema Heroin erlebt; bei den Landeskrankenhäusern, als Entscheidungen in den Fraktionen exakt zu dem Zeitpunkt getroffen wurden, als die FachpolitikerInnen sich auf Auslandsreise befanden; das haben wir beim Landesblindengeld erlebt, beim Einknicken von Vorsorgeuntersuchungen in Kindergärten und Schulen und dieses setzt sich nun nahtlos fort.
Unser Gesetzentwurf war angeblich inhaltlich zu schwach. Das mag sein, aber Sie bringen auch nach drei Jahren immer noch keinen eigenen Entwurf zu Stande.
Die SPD-Fraktion hatte am 23. Februar 2005 konsequenterweise den alten Gesetzentwurf hier wieder eingebracht, um Ihnen die Arbeit zu erleichtern.
Beides, d.h. den Gesetzentwurf und die Entschließung, lassen Sie seit Jahren unbearbeitet liegen. Parlamentarisch ein nicht zu akzeptierender Vorgang. Unliebsame Initiativen der Opposition gegen Ende der Legislaturperiode durch Nichthandeln zu erledigen und der Diskontinuität zuzuführen, sind zwar unschön aber noch erträglich.
Parlamentsinitiativen jedoch fünf Jahre lang aussitzen zu wollen, zeugen von einem gestörten Demokratieverständnis und macht gleichzeitig ihre ganze Hilflosigkeit deutlich.
- Bereits vor drei Jahren, am 19.03.2003, hatte Herr Staatssekretär Hoofe vor dem Landesbehindertenbeirat erklärt, man sei auf gutem Wege und lediglich die Verbandsklage und die Barrierefreiheit seien noch strittig.
- Vier Monate vorher beim SPD-Entwurf hatte die CDU die Verbandsklage als neues Instrument noch ausdrücklich begrüßt.
- Ein Jahr später, im April 2004, hat der gleiche Staatssekretär dann dem Landesbehindertenrat schriftlich erklärt, dass: schon kurze Zeit nach der Regierungsübernahme mit den Arbeiten am Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen begonnen wurde. Inzwischen liege ein entsprechender Entwurf vor, der bereits in weiten Teilen abgestimmt werden konnte.
- Wiederum zwei Jahre später, jetzt am 20. April 2006, haben die jetzige Sozialministerin und ihre Staatssekretärin vor dem Landesbehindertenrat angekündigt, dass die Landesregierung demnächst ein Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen vorlegen werde. Inzwischen gäbe es einen mit den Kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Entwurf, der in Kürze vom Kabinett zur Anhörung freigegeben würde.
- Es ist sehr schön, wenn Sie Ihre Sozialgesetze nun von den Kommunalen Spitzenverbänden schreiben lassen. Es wäre noch besser, wenn Sie einen Gesetzentwurf endlich einmal mit den Betroffenen, insbesondere mit den Behindertenverbänden, abstimmen würden.