"Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2006"
Zu Beginn meiner Ausführungen will ich Ihnen, sehr geehrte Frau Ross-Luttmann, auch von dieser Stelle aus noch mal zu ihrer Ernennung als Sozialministerin gratulieren. Ich wünsche ihnen eine glückliche Hand im Interesse der benachteiligten und gehandicapten Menschen in unserem Land.
Wir verbinden das mit der Hoffnung, dass Selbstinszenierung wieder durch sachorientierte Politik ersetzt wird.
Sie haben selber Parlamentsarbeit kennen gelernt. Deshalb erwarte ich, dass Parlament und Fachausschuss wieder ernst genommen werden. Dazu gehört auch, dass Gesetzesvorhaben nicht regelmäßig im Schweinsgalopp durch den Ausschuss gepeitscht werden sollen. Dazu gehört auch, dass das Ministerium bei wichtigen Themen im Ausschuss wieder durch die Hausspitze und ansonsten durch die Abteilungsleiterebene vertreten wird.
Wenn der MP im Zusammenhang mit der Wahl ihrer Vorgängerin zu Bundesfamilienministerin festgestellt hat:
Frau von der Leyen hat in Niedersachsen bereits bewiesen, wie erfolgreiche Sozialpolitik gemacht wird,
so mag das aus Sicht des MP und des Finanzministers stimmen. Aus der sozialpolitischen Szene weint dieser Ministerin jedenfalls keiner eine Träne nach - und aus Teilen der CDU anscheinend auch nicht (s. HAZ vom 12.10.05). Von der ersten Regierungsminute an hatte sich die ausgeschiedene Sozialministerin nicht etwa schützend vor die ihr anvertrauten Menschen gestellt. Vielmehr war sie die Speerspitze eines in diesem Ausmaß noch nie erfolgten Sozialabbaus in Niedersachsen.
Die sozial-, familien- und jugendpolitische Bilanz dieser Landesregierung ist nach 3 Jahren verheerend. Frau von der Leyen hat viel verbrannte Erde hinterlassen und viel Vertrauen zerstört.
Z. B. 2005 Landespflegegesetz
Die gesamten Landesmittel für die stationäre Altenpflege wurden gestrichen, angeblich zur Stärkung der ambulanten vor der stationären Pflege. Ergebnis: Über 10.000 Menschen wurden zusätzlich in die Sozialhilfe gedrängt und werden jetzt in Mehrbettzimmer untergebracht. Ein Lebensabend ohne Privat- und Intimsphäre. Eine würdelose Leistung für eine christliche Partei! Behindertenpoltik wird mit der Abrissbirne betrieben. Noch im Januar 2003 stellte der MP (in SYNODEdirekt) u.a. fest: psychologische Beratung, Obdachlosen- oder Nichtsesshaftenhilfe dürfen nicht in Frage gestellt werden Tatsächlich haben sie dieses Jahr- die Mittel für Obdachlose ersatzlos gestrichen ( 3 Mio Euro)
- die Zuschüsse für geistig Behinderte in Nachsorgeeinrichtungen (für Drogenabhängige) auf Null gesetzt,
- und nächstes Jahr werden die Zuschüsse für geistig Behinderte Menschen in Wohngemeinschaften ebenfalls auf Null gestellt.
Nullrunde/Behinderteneinrichtungen
Noch in seiner Regierungserklärung hatte der MP festgestellt: Wir müssen vor allem den sozialen Einrichtungen Planungssicherheit geben, damit sie wissen, woran sie sind und ihre Arbeit auf einer klaren Grundlage fortführen können. Tatsächlich zwingt diese LR den Behinderteneinrichtungen 2006 die 3. Nullrunde in Folge auf. Das entspricht einer faktischen Kürzung von 3x14 Mio. Euro = 42 Mio Euro - eine gigantische Summe. Das bedeutet weniger Fachkräfte, Flucht aus Tarifverträgen, und vor allem weniger Zeit für Zuwendungen, gerade für Schwerst- und Mehrfachbehinderte. Sauber, satt und ruhig war die Behindertenpolitik der 50er Jahre. Sie sind dabei, dorthin zurückzukehren.Behindertengleichstellungsgesetz
Dass die Behinderten in diesem Land immer noch auf das wiederholt vollmundig angekündigte Behindertengleichstellungsgesetz warten, vervollständigt dieses Bild nur noch. In ganz Deutschland gibt es nur noch 2 Bundesländer, die den Behinderten die gesetzliche Absicherung ihrer Rechte verweigern Niedersachsen ist natürlich dabei (2. Land MeckPom, dafür aber höchste Blindengeld von über 500 Euro) Der von der SPD-Regierung eingebrachte Gesetzentwurf ging ihnen damals nicht weit genug und sie selber bekommen auch im 3. Jahr dieser Regierung noch nicht einmal eine Vorlage zustande was für ein Offenbarungseid im Umgang mit Behinderten.Landesblindengeld
Die faktische Streichung des Landesblindengeldes zu Jahresbeginn hat zwischenzeitlich unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt Seit Anfang Januar stieg der Anteil blinder Menschen in Niedersachsen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, von 10 % auf 25 %. Der noch von Frau von der Leyen eingerichtete Härtefallfonds" ist grandios gescheitert. Der Blindenverband stellte dazu jüngst fest: Kann eine CDU/FDP-Landesregierung verantworten, dass schon heute der Anteil blinder Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, doppelt so hoch ist, wie in anderen Bevölkerungsschichten und in 2 Jahren 5x so hoch ist. Blinde Menschen, die wie jeder andere z.B. eine angemessene Alterssicherung betrieben oder einen Notgroschen zurückgelegt haben, erhalten keine Leistung mehr. Die Landesregierung verordnet diesen Menschen ein Leben in Armut und sie schiebt Blinde dadurch letztendlich in Pflegeheime ab. Statt diese Fakten endlich zur Kenntnis zu nehmen und zu korrigieren, legen Sie sogar noch. Die Landesregierung versucht nun auch noch das Landesbildungszentrum für Blinde schnell loszuwerden. Der Begriff soziale Kälte ist für dieses Verhalten noch schmeichelhaft. Frau Ross-Luttmann stellte in einer PI am 4.5.05 fest: Gerade im Umgang und bei der Förderung von Menschen mit Behinderungen setzen CDU und FDP einen deutlichen finanziellen Schwerpunkt. Damit geben wir behinderten Menschen mehr Autonomie. Frau Ministerin, ich weiß nicht, wer Ihnen das aufgeschrieben hatte, aber für Behinderte, insbesondere Blinde ist das der blanke Hohn, und da haben die von ihrer Vorgängerin noch reichlich genug. Die SPD hat in ihrem Haushaltsantrag das Blindengeld jedenfalls wieder finanziert. Das niedersächsische CDU-Wahlergebnis bei der Bundestagswahl war der erste Schuss vor den Bug und das Volksbegehren des Blindenverbandes wird der nächste werden - und den haben Sie auch dringend nötig, meine Damen und Herren.Jugendpolitik
Nach dem Scheitern in der Behindertenpolitik will die LR nun wenigstens in der Jugendpolitik punkten. 2006 soll das Jahr der Jugend werden, darin sind wir uns alle einig. Faktisch hat Jugendpolitik bei der bisherigen Sozialministerin überhaupt nicht stattgefunden, allenfalls in Form von Kürzungen, z.B.- Kürzungen beim Kinder- und Jugendschutz (2003-10%)
- Kürzungen bei Trägern der Jugendarbeit innerhalb von 2 Jahren um 75%, von 2,6 Mio. auf jetzt 0,5 Mio.
- Die Mittel für den Kinder- und Jugendplan von 2,6 Mio. Euro haben sie gleich komplett rasiert.
Schwerkranke/Palliativ
Wenn ich gerade bei Kindern und Jugendlichen bin: Da reden wir hier mehrfach übereinstimmend über die Situation von Schwerstkranken und ausgerechnet bei schwerstkranken Kindern wird der schon einmal deutlich reduzierte Ansatz erneut um 129.000 Euro gekürzt (von 601.000 Euro auf 472.000 Euro). Ich finde das ungeheuerlich. Da führt die Landesregierung einen fruchtlosen Streit über ein mögliches Verbot von "Dignitas", anstatt sich endlich ganz konkret darum zu kümmern, dass die Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden im Lande endlich verbessert wird. Seit über einem Jahr liegt der Beschluss des Landtages auf dem Schreibtisch der Sozialministerin: Am 28 Oktober 2004 beauftragten wir die Landesregierung einstimmig ein Konzept für die Weiterentwicklung der palliativmedizinischen Versorgung in Niedersachsen [] vorzulegen. Außer Fensterreden und unverbindlichen Ankündigungen ist seitdem so gut wie nichts geschehen, und es wurde nicht nur an dieser Stelle deutlich, wie ignorant unter Frau von der Leyen mit Beschlüssen des Parlaments umgegangen worden ist.Frauenpolitik/Familie
Frauenpolitik im Land ist nach der ersatzlosen Streichung aller Frauenprojekte nur noch begrenzt auf das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei ist es falsch, Vereinbarkeit und Gleichberechtigung gegeneinander auszuspielen. Unabhängig davon hatte die LR im 100 Tage-Programm neue Konzepte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf angekündigt- für den haushaltsnahen Dienstleistungsbereich,
- Elternschaft und Beruf
- Familienfreundliche Betriebe