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- Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3139 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie udn Gesundheit - Drs. 15/3933 Uwe Schwarz (SPD): Anrede, vergangene Woche hat der Bundesrat dem Bundesgesetz zum Nichtraucherschutz zugestimmt, und heute werden wir mit breiter Mehrheit ein Landesgesetz beschließen. Dieses Verfahren macht deutlich, in Deutschland wird es keine einheitlichen Regelungen zum Schutz für Nichtraucher geben und das ist schlecht. Gut hingegen ist, dass in einer der letzten Hochburgen der internationalen und nationalen Tabaklobby die Gefahren des Tabakrauches und des Nikotin nicht mehr weiter verharmlost und verniedlicht werden können. Immerhin ist der Zusammenhang zwischen Passivrauchen und schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen seit Ende der 60er Jahre nachgewiesen. So schreibt die Bundesregierung in ihrer Gesetzesbegründung: Obwohl die tödlichen Folgen des Nikotinkonsums seit Jahrzehnten bekannt sind, sterben in Deutschland mehr als 140.000 Menschen jährlich an den Folgen des Rauchens, 3.300 von ihnen an den Folgen des Passivrauchens. Das sind fast 400 Menschen täglich. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Tabakkonsum wird in Deutschland auf 20 bis 80 Mrd. Euro jährlich geschätzt. Der Schutz der Volksgesundheit ist nicht nur ein wichtiges Gut, sondern ein Verfassungsauftrag. Trotzdem ist es der Tabaklobby und anderen mächtigen Wirtschaftszweigen bis Anfang dieses Jahres gelungen, jede gesetzliche Regelung in Deutschland zu verhindern. Wenn es nach Herrn Wulf und Herrn Hirche gegangen wäre, dann hätte sich daran auch nichts geändert. Noch am 14. Februar 2007 erklärte der FDP-Wirtschaftsminister: Niedersachsens FDP schließt ein JA der Landesregierung zu einem gesetzlichen Rauchverbot in Gaststätten aus. Weiter sagte Hirche: Ein Verbot in Kneipen und kleinen Cafes werden wir in Niedersachsen auf keinen Fall haben. Genau das werden wir heute hier beschließen - und vermutlich mit der Stimme von Herrn Hirche. Noch dynamischer sind allerdings die unnachahmlichen Loopings des Herrn Ministerpräsidenten. Der sogenannte Nichtrauchergipfel von Bund und Ländern wurde nach Hannover geholt, und gleichzeitig muss die zuständige Sozialministerin aufmerksam die Medien verfolgen, um die täglichen Positionswechsel ihres Chefs mitzubekommen. Hatte Wulff noch vergangene Woche bekunden lassen, dass er seiner Ministerin keineswegs in den Rücken falle, preschte er am Wochenende mit einem eigenwilligen Vorschlag vor, so steht es am 15.2. in den Zeitungen. Im Kern soll jeder Gastwirt selber entscheiden, ob rauchfrei oder nicht. Was stören die wehrlosen Beschäftigten sie müssen da ja nicht arbeiten. Bezeichnenderweise nimmt Herr Wulff vorsichtshalber an der Sozialministerkonferenz weitgehend selber teil, damit ja nichts anbrennt. Danach überschlagen sich die Aussagen des nun als Robin Hood der deutschen Gaststättenfunktionäre völlig entfesselt auftretenden Ministerpräsidenten. Einige Beispiele: - NOZ 03.03.07: Raucherkneipe soll bleiben - HAZ 26.03.07 Niedersachsen erlaubt Rauchen in Restaurants - HAZ 27.03.07: Niedersachsen verzichtet auf Bußgeld bei Rauchverbot selbst Wirte sind verblüfft. - HAZ 29.03.07 Diskos planen Sammelklage gegen Wulff - Die Neue Presse kommentiert am 28.3.07 zu Recht: Dennoch fällt auf, dass es die Niedersachsen gesundheitspolitisch ganz besonderes vergurkt haben in der Raucher-Republik Deutschland Wulff tanzte bundesweit wieder einmal aus der Reihe, ohne klar sagen zu können, warum eigentlich. Mit Ausnahme der Gastronomie hagelte es bundesweit Proteste, die Regierung muss ihren Gesetzentwurf vollständig überarbeiten, aber auch das geht in der Eile wieder schief. So titelt die Welt am 25.4.: Wackel-Wulff kommt Diskos entgegen Der MP hatte sich hinreichend als Fähnchen im Wind entlarvt und zog es fortan vor, sich zumindest in der Öffentlichkeit nicht mehr dazu zu äußern.In der Sache war das sehr hilfreich. Die Regierung wollte das Gesetz nur noch geräuschlos und möglichst schnell vom Tisch haben. Der SPD-Fraktion hatte bereits im September 2006 einen umfassenden Antrag zum Thema:Nichtraucher schützen Jugendschutz verbessern vorgelegt. Wir wollten einen umfassenden Nichtraucherschutz, der Menschen davor bewahrt, sich unfreiwillig den Gesundheitsschädigungen des Tabakrauches aussetzen zu müssen. Besonderes Augenmerk haben wir dabei auf Kinder, Jugendliche und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen gelegt. Auf dieser Basis haben wir uns trotz der unrühmlichen Vorgeschichte der Landesregierung als Opposition konstruktiv in die Gesetzesberatung eingebracht. Der im Ausschuss erarbeitete Kompromiss wird seine Praxistauglichkeit allerdings erst noch unter Beweis stellen müssen. Besonders wichtig waren uns die Regelungen für Kinderspielplätze, wobei die Gefahren dort vor allem von Zigarettenmüll ausgehen, und Bereiche, in denen Lebensmittel offen verkauft werden, wie z.B. Markthallen. Gerne hätten wir auch Apotheken, Arztpraxen und nicht erfasste Einrichtungen der Jugendhilfe mit geschützt. Dennoch haben wir den Kompromiss daran genau so wenig scheitern lassen, wie an der von CDU/FDP gewünschten Übergangsregelung im Vollzug des Gesetzes. Hier ist die Koalition erneut dem Gaststättenverband deutlich entgegengekommen. Bußgelder bei Verstößen gegen das Gesetz können erst ab 1.11.07 erhoben werden. Äußerungen deuten darauf hin, dass maßgebliche Verbandsvertreter dies als Freibrief für Gesetzesverstöße bis 31.10.2007 verstehen. Sollte hier bewusst einen neuer Salto für den Robin Hood der Gaststättenfunktionäre eingebaut worden sein, verspreche ich Ihnen ab November eine lebhafte Debatte. Die deutsche Lungenstiftung hatte gerade vergangene Woche auf aktuelle, alarmierende Untersuchungen zum Rauchverhalten von Kindern und Jugendlichen hingewiesen. An dieser Studie waren 3000 SchülerInnen an Schulen in Hessen, Bayern und Niedersachsen beteiligt. Danach rauchen zwischenzeitlich 12 % der Elf- bis Vierzehnjährigen, jeder zweite ist bereits starker Raucher. Mit der Verabschiedung des Gesetzes ist unsere Verantwortung nicht zu Ende, sondern sie fängt erst an. Wir erwarten von der Landesregierung:
  • eine bessere gesundheitliche Aufklärung an unseren Schulen über die Folgen des Nikotins.
  • ein Verbot von Tabakwerbung in und an Gebäuden des Landes Niedersachsen.
  • den Verzicht von Sponsoring durch die Tabakindustrie bei Veranstaltungen des Landes Niedersachsen.
  • und vor allem eine uneingeschränkte, zeitnahe Durchsetzung dieses Gesetzes.
Uns ist klar, dass dieses Gesetz ohne den nahenden Landtagswahltermin so nie zustande gekommen wäre. In der Regierungs- und Fraktionsführung wollten Sie bei diesem für Herrn Wulff unangenehmen Thema Ruhe das verstehe ich. Auch wenn wir den Kompromiss heute mittragen, werden wir dem Wackelwulff diesen Wunsch nicht erfüllen können. Im Zweifel sorgt aber Herr Wulff auch schon ganz alleine dafür.