Vorlage eines Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung
Zweite Beratung:
Vorlage eines Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung
Antrag der Fraktion der SPD – Drs. 15/141
Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze
Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 15/1695
Behindertengleichstellungsgesetz jetzt!
Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3014
Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung
Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 15/3801
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit – Drs. 15/4192
Anrede,
noch in der alten Legislaturperiode am 03.12.2002, also bereits vor 5 Jahren, hatte die damalige SPD-Landesregierung dem Landtag den Entwurf eines Behindertengleichstellungsgesetzes vorgelegt.
Unser Vorschlag, das Gesetz noch vor der Landtagswahl 2003 zu verabschieden, wurde von der damaligen CDU-Opposition abgelehnt und blockiert.
Begründung: „Der Gesetzentwurf sei nicht der große Wurf und die CDU wolle unverzüglich nach einer gewonnenen Landtagswahl einen weitergehenden Gesetzentwurf vorlegen.“
Was dann folgte, war beispiellos. Sie haben es geschafft, Ihrer bundesweit beachteten Politik gegen Behinderte ein neues Superlativ hinzugefügt. Niedersachsen wurde das einzige Bundesland, in dem behinderten Menschen ein Gleichstellungsgesetz beharrlich verweigert wurde. Die mangelnde Einigungsfähigkeit der Landesregierung wurde auf dem Rücken der Behinderten ausgetragen.
Erst wurden Hoffnungen geweckt, dann wieder hingehalten.
Was bei anderen die jährlichen Neujahransprachen sind, wurden bei Ihnen 4 Jahre lang, immer im April, die jährlichen, unverbindlichen, gleichen Zustandsbeschreibungen in Sachen Behindertengleichstellung.
Die zuständige Sozialministerin hatte dabei – wie so oft - nur die Statistenrolle.
Dieser Umgang mit behinderten Menschen zieht sich wie ein schwarzer Faden durch diese Legislaturperiode und ist zu einem unverwechselbaren, aber unrühmlichen Markenzeichen Ihrer Sozialpolitik geworden.
Diesen Stil werden wir nach der Landtagswahl ändern und wieder zu einer partnerschaftlichen Sozialpolitik zurückkehren.
Dreimal haben wir Sie zur Vorlage eines Gesetzentwurfes aufgefordert, am 15.5.03, am 13.7.06 und am 23.2.05 hat die SPD-Fraktion konsequenterweise ihren alten Gesetzentwurf wieder eingebracht, um Ihnen die Arbeit zu erleichtern.
Beides, d.h. den Gesetzentwurf und die Entschließung, haben Sie Jahre lang unbearbeitet liegen gelassen, was nicht nur von einem gestörten Demokratieverständnis zeugt, sondern Ihre ganze Hilflosigkeit deutlich gemacht hat.
Sie wollten das Thema aussitzen.
In einer vertraulichen Auflistung der Landesregierung vom 8.11.05 heißt es zum Behindertengleichstellungsgesetz: „Der Gesetzentwurf soll nur noch grundsätzlich für die Landesverwaltung gelten und auf alle strittigen Regelungen verzichten“.
Das brachte das Fass bei den Behinderten endgültig zum überlaufen. Am 8.2.07 erklärten die Verbände:
„Hier entsteht der Eindruck, dass der vorliegende Text mit all seinen Lücken lediglich verfasst wurde, um erst einmal Ruhe vor den berechtigten Forderungen von Menschen mit Behinderungen zu haben.“
Der vorgelegte Entwurf wurde als „sozialpolitische Bankrotterklärung der Landesregierung“ bezeichnet.
Wie schon beim Nichtraucherschutz und Blindengeld musste Herr Wulff eine Kehrtwendung vollziehen, nach dem der ursprüngliche Entwurf auf massive Ablehnung aller Verbände gestoßen war. Nachdem die Landesregierung nach vier Jahren voller Ausflüchte und Vertröstungen einen inhaltsleeren Gesetzentwurf vorgelegt hatte, musste sie ihn selber wieder einkassieren.
Es ist offensichtlich, dass die erneute Wulff-Wende ausschließlich opportunistischen und wahlkampftaktischen Gründen geschuldet ist und nicht etwa inhaltlichen Überzeugungen. Sie hatten schlicht Muffe vor der bekannten Kampagnefähigkeit der behinderten Menschen- und das ist auch gut so.
Von daher ist der heute hier vorliegende Gesetzentwurf in erster Linie ein weiterer Erfolg des Bündnisses, das sie schon erfolgreich beim Blindengeld in die Knie gezwungen hat.
Es ist auch ein Erfolg unser beharrlichen Oppositionsarbeit und wir können gut damit leben, dass sie unseren SPD-Gesetzentwurf zur Grundlage ihres Entwurfes gemacht haben. Das haben wir schon gemerkt
Allerdings sind seit unserem Gesetzentwurf 5 Jahre ins Land gegangen. Niedersachsen wäre vor fünf Jahren Vorreiter in der Behindertenpolitik gewesen, heute ist es Schlusslicht.
Mit unserem Änderungsantrag haben wir die im Gesetzentwurf fehlenden Anregungen der Verbände aus der Anhörung aufgenommen.
Wir wollen:
1.
Das Barrierefreiheit vorrangig vor Denkmalschutzfragen ist (öffentliche Gebäude)
2.
Das Beiräte für Menschen mit Behinderungen paritätisch mit Männern und Frauen besetzt werden, zumal gerade behinderte Frauen noch besonders benachteiligt sind.
3.
Das Verbandsklagerecht verstärken, so dass Verbände behinderte Menschen auch bei individuellen Problemen unterstützen können und für sie stellvertretend tätig werden.
4.
Wir wollen den Abschluss von Zielvereinbarungen zwischen den Verbänden, dem Land, den Landkreisen und Kommunen, um die berechtigten Interessen behinderter Menschen zügig umzusetzen.
5.
Wir wollen eine klare Regelung für die Finanzierung der Umsetzung des Gesetzes über den Kommunalen Finanzausgleich. Ihre Begrenzung auf 1,5 Mio. € ist eine Mogelpackung. Der Finanzminister hatte schon zu unserer Zeit die Kosten des Gesetzes mit einem fast dreistelligen Millionenbetrag beziffert.
6.
Wir wollen eine nicht nur einmalige Überprüfung des Gesetzes, sondern alle 5 Jahre prüfen, ob das Gesetz angepasst werden muss, um seine Wirkung für behinderte Menschen zu entfalten.
7.
Wir wollen eine klare Verpflichtung der Straßenbaulastträger, dass bei der Gestaltung von Straßen und Gehwegübergängen Bedürfnissen von behinderten, einschließlich sehbehinderten Menschen, älteren Menschen und Menschen mit kleinen Kindern Rechnung getragen wird. Deutschland ist hier in Europa Entwicklungsland.
8.
Wir wollen, dass hörbehinderte oder gehörlose Eltern von nicht behinderten Kindern zur Wahrnehmung ihrer Elternrechte in Kindertagesstätten und im schulischen Bereich einen Rechtsanspruch auf den Einsatz der Gebärdensprache haben. Das sind wir den Eltern und den Kindern schuldig.
Im Interesse der behinderten Menschen ist es wichtig, dass ihr rechtloser Zustand auch im letzten Bundesland endlich beendet wird, aber dann nach dieser Vorgeschichte bitte auf der Höhe der Zeit.
Wenn es nicht nur um Ruhe vor der Landtagswahl geht, sondern um Inhalte, wird die Koalition unseren Ergänzungen problemlos zustimmen können.
Andernfalls sagen wir den behinderten Menschen schon heute zu, das verabschiedete Gesetz nach der Landtagswahl im Sinne unserer Änderungen zu ergänzen.